Paris und seine Geschichte

13.5.2010:

 

5Tage für mich und 2 Tage für Josephin in der Stadt der Romantik, der Liebe, der Kunst – dem Herz Frankreichs.

Da wir nun den Himmel befahren können, wird die Erde darunter so klein.

Vor 1 Woche noch in Wien per Zug, sitze ich nun in schwindelerregender Höhe über Paris, aber nicht im Flugzeug, sondern im Tours Montparnasse in der 56. Etage.

 

Vor 11Jahren berechnete ich hier auf dem Dach die Fallbeschleunigung eines 1-Pfennigstückes mit meiner Physiklehrerin Frau Puschbeck, und ob dieses ein Autodach durchschlagen könne. Wir kamen zu dem Schluss, dass es in Vakuum möglich ist aber nicht in der Atmosphäre mit Luftwiderstand.

Zum Glück widersteht die Luft nicht dem herrlichen Ausblick. Das Wechselspiel von Licht und Schatten, welches über die Silhouette huscht, betont mal dies und mal jenes Stadtviertel. Am zauberhaftesten erscheint der Montmartre mit der glänzenden Sacre Coer Kapelle. In diesen weiten, modellhaften Häuserdschungel werden wir das Himmelfahrtswochenende verbringen. Ich bin gespannt was mein 3. Besuch dieser Metropole so mit sich bringt.

 

16.5.2010:

 

Phinie habe ich heute früh schon wieder zum Flughafen in Orly bringen müssen und ich wandel nun für heute und morgen wieder allein durch die Stadt der Liebe – oder wie Josephin es noch mal betonte, der Kunst! Ich widerspreche ihr da nicht, denn zu lieben – und zwar Jeden – ist wohl die größte Kunst! ?

Nun ist die Geliebte bereits in der sächsischen Heimat (in die ich in 2 Wochen nachfolgen werde) und ich sitze bei Schmacht-Musik von Louis Armstrong einsam die Leute beobachtend im Starbucks.

Ja, ich weiß es wird langsam zur Gewohnheit, schließlich verbrachte ich in Wien auch schon einige Großstadtstunden in dieser amerikan. Kette und eigentlich bin ich dagegen. Aber die Musik passt zum sinnierenden Gemüt und auch viele Studentinnen und Schülerinnen wissen dieses Etablisement in Österreich wie in Frankreich als Mensa-Ersatz  zu schätzen. Natürlich bin ich nicht ganz allein, Johann Gottfried Seume und mein Namensvetter Alexander v. Humboldt sitzen mir rücklings auf den Schultern und wissen ebenfalls von ihren Reisen aus der Ich-Perspektive zu berichten. Sie besaßen keine Jazzmusik und auch Mozart und Beethoven die damals ihre Werke uraufführten und Zeitgenossen waren dachten damals noch nicht daran in IPods mitgenommen werden zu können. Aber ihre klassizistische Ausbildung und ihr geschultes Auge, sowie überlebten Strapazen gaben ihnen die Möglichkeit präzise Beobachtungen ausgezeichnet in Worte zu fassen. Und mit dieser kleinen Hommage kann ich nicht umhin und nähere mich ihnen epochal indem ich in wildromantischen Fantasien über die damalige Zeit schwelge. Neben der Blüte der großen deutschen Komponisten trugen Männer wie Lessing, Schiller, Goethe, Schilling, Hölderlin und Hegel mit ihren Sturm und Drang und den Gedanken an eine geeinte Nation zu einer aufgeklärten Weltanschauung bei, die genau hier in Paris ihren Impuls hatte. Die große Revolution 1789 mit dem Sturm auf die Bastille beendete den blasphemischen Absolutismus und gab Männern aus dem Volk wie Robespierre oder Napoleon die Gelegenheit die Macht genauso zu missbrauchen. Aber dennoch waren die Augen geöffnet, das Volk war sich nun einer eigenen Macht bewusst, solange sie ein gemeinsames Ziel, einen Führer hatten.

Auch die Wissenschaft trug dazu bei die Vormundschaft durch Kirche und Staat zu überwinden. Die Gebrüder Montgolfier starteten die ersten Heißluftballons, ebenfalls hier in Paris. Napoleonische Feldzüge brachten Geld in das Zentrum Frankreichs und somit wuchs Paris um Menschen und weitere Prunkbauten. Es war ein großartiges Zeitalter, Amerika wurde unabhängig, Kolonien überall in Übersee wuchsen und brachten neue Güter nach Europa – Stoff für neues Handwerk und Kunst. Dies ließ die Gedanken der einfachen Leute reifen, die wiederum die ganze Welt veränderten. So inspirierten sie Jules Verne zu seinen Abenteuerromanen (20000 Meilen unter dem Meer, Reise zum Mittelpunkt der Erde etc.).

Heute finden wir nun alle Menschen der Welt samt ihrer Kultur und Kunst hier in Paris beheimatet. Museen, die indische, afrikanische, ägyptische (die Franzosen sind auch schon immer hervorragende Archäologen und Geologen gewesen), chinesische und indonesische Skulpturen und Gemälde zeigen, zieren die Stadt und verschaffen ihr zurecht den Namen Stadt der Kunst. ? Nicht zuletzt wird hier erschaffen was die Frau und der Mann von morgen zur Schau tragen werden.

Josephin ist um ein echtes Pariser Kleid reicher. Die 2 vergangenen Tage mit ihr waren wirklich schön. Ich hatte jeweils im Voraus die Tage geplant. So haben wir am ersten Tag das Quartier Latin besucht – das alte Universitätsviertel, welches heute zahlreichen Cafes und Crèperien und Touristenläden bestimmt wird und in dessen Trubel sich die gotische Kirche des Heiligen Severus erhebt. Folgt man einer der vielen Seinebrücken auf die Ile de la cité, so findet man sich direkt vor dem beeindruckenden Bau der Notre Dame de Paris wieder. Auch wenn die Kathedrale erst frisch „entwittert“ wurde und in makellosem hellen Sandstein in der Sonne blitzt, so ist sie doch bereits 1164 begonnen worden. Genau heute habe ich dort an der Sonntags-Gottesdienstmesse teilgenommen. Mich hat wieder einmal die strikte Liturgie der Katholiken erschrocken. Und als alter, reformierter Halbsachse muss ich gestehen, dass es mir schwer fällt zu glauben, dass innerhalb dieser Regeln die Liebe zu Gott zur Entfaltung kommen kann. Da lobe ich doch meine freikirchliche Gemeinde in Amsterdam, wo eben Nämliches im Zentrum stehen soll. Umso erheiternder las ich einen spöttelnden Vers in Seumes Reisebericht von Grimma nach Syrakus über den Papst, als er sich in Italien aufhielt.

Am vergangenen Freitag zogen Josephin et moi dann Richtung Centre Pompidou weiter. Das Museum für Moderne Kunst, selbst ein moderner Bau, der mit all seinen Stangen und Röhren an einen riesigen Hamsterlaufstall erinnert, ist bekannt für sein zentrumnahes Panorama über der Stadt. Diesen genossen wir auch beim Lauschen fernöstlicher Musik, die vom Vorplatz zu uns herauf drang.

Ich sage nur: 4 Stunden Louvre!

Etwas geistig als auch physisch Überfordernderes gibt es wohl kaum, besonders am Ende eines bereits gefüllten Tages. Wir nahmen uns die Gemäldesammlung vor und bedachten den Abschluss mit der Besichtigung der berühmten Mona Lisa, sowie der Krönung von Kaiserin Josephine durch ihren Gemahl Napoleon Bonaparte im Notre Dame de Paris. Wie sich jedoch schnell herausstellte hatten wir die Ausmaße dieses riesigen ehemaligen Schlosses und seiner Sammlungen hoffnungslos unterschätzt. Während wir uns für die ersten 3 Zimmer noch 1 Stunde Zeit nahmen und beinahe jedes Gemälde gemeinsam erörterten, so nahm unsere Interpretationsgeschwindigkeit von Bild zu Bild und bald von Saal zu Saal von Flügel zu Flügel zu. Mit nahezu leerem Verstand beglotzten wir dann die abschließenden Meisterwerke von da Vinci und David.

Bei Kaffee und Tee vitalisierten wir uns wieder, unterstützt von einem Live-Jazz-Quartett in einem „Salon de Thé“.

Gestern nahmen wir dann beginnend an der l’Opera – den größten, europäischen Theater- und Prunkbau von 1879, in dem nur noch Ballett aufgeführt wird- das Viertel des Montmartre in Angriff. Da Josephin, inspiriert Malerbiografien und selbst Kreativistin, großes Interesse an der bildenden Kunst hat. Zudem stellt der Montmartre einen schönen Kontrast zum prunkhaften Zentrum der Stadt dar, da es sich einen idyllischen/ländlichen Charakter erhalten hat, den zahlreiche Künstler auf Leinwänden mit Acryl und Öl festgehalten haben. Der noch relativ junge Bau der weithin sichtbaren, schneeweißen Basilika „Sacre Coer“ wurde nach dem 1. Weltkrieg dem Herzen Jesu geweiht, nachdem der Bau ursprünglich nach dem Krieg gegen Deutschland 1870/71 als Mahnmal für selbigen entwickelt wurde. Der Berg bietet auch einen eindrucksvollen Ausblick auf die Stadt, fern von Lärm und Moderne.

Abschließend besuchten wir gemeinsam das heutige Wahrzeichen von Paris – den Turm des Architekten Gustav Eiffel. Dieses Stahlwunder der Industrialisierung wurde zur Weltausstellung gebaut und 1896, ein Jahrhundert nach Napoleons Machtergreifung, fertig gestellt. Meine Freunde Humboldt und Seume diesen Giganten also noch nicht, dafür aber den anderen! ?

Bei meinen 2 Parisaufenthalten zuvor war ich dem Tours Eiffel nie wirklich nahe gekommen, wenn man dann aber wirklich direkt davor steht und von all den Verkäufern umschwirrt wird, die einem ihre Miniaturtürme aufdrängen wollen, dann, ja dann bekommt man noch mal einen ganz anderen Eindruck dieses Turmes, als es die Sicht aus der Ferne erlaubt.

Im Sonnenuntergangslicht fuhren wir dann ein Stück oberirdische Untergrundbahn – wie es so häufig in Berlin oder Amsterdam der Fall ist – Richtung Hotel zurück. Dahin werde ich auch die kommende Nacht noch ein letztes Mal zurückkehren. Es liegt außerhalb des Stadtringes und ist recht günstig. Und mir gefällt die Pariser Vorortsatmosphäre, die auch einen eher ländlichen Charakter inne hat.

Aber bevor es soweit ist, werde ich mich noch zu Europas größtem Lichttheater von 1930 begeben, das im prächtigen Jugendstil geschmückt ist und 2750 Menschen aufnehmen können soll.

 

17.5.

 

Heute ist ein typischer Abreisetag. Die Ruhe für konkrete Unternehmungen fehlt mir, aber sinnlos verstreichen soll der zusätzliche Tag vor meinem abendlichen Rückflug auch nicht. So beschloss ich weitere Kilometer spazierend in der Stadt zu verbringen, diesmal jedoch zusätzlich meiner Reisetasche. Der leichte Irrgang führte mich an sehr vielen Kirchen vorbei, die ohne Ausnahme die Größe einer Kathedrale einnahmen. Auch das geistliche Leben hat in Paris nicht gespart, weder mit Geld noch Präsenz. So gibt es z. B. allein im nördlichen Paris 8 Synagogen! Während das Christentum eher durch den Katholizismus vertreten ist. Was den Historiker wohl auch nicht überrascht, wenn man an die Verfolgung der Hugenotten denkt, deren Name ursprünglich von den deutschen Eidgenossen kommt und nur durch die französische Aussprache über die Zeit zu Hugenotten wurde.

Nun drücke ich mich noch die letzten Stunden in der Gegend um den Gare du Nord herum, bis ich 16:30Uhr den Zug zum Flughafen Charles de Gaules nehme.

Nach 1Stunde und 10Minuten hat mich Amsterdam wieder und ich kann eine gewisse Vorfreude auf meine WG und mein schön eingerichtetes Zimmer nicht leugnen.