Leipzig – Wahlheimat

Leipzig 25.6. bis 1.8. 2010

Einem Jeden wird wohl heutzutage das Gefühl vertraut sein, wenn er nach einigen Tagen, Wochen, Monaten oder gar Jahren aus der Fremde zurück in die Heimat kehrt.

Es ist wohl eins der facettenreichsten Gefühle, welches sowohl von Erinnerungen als auch von Zukunftsvorstellungen getragen ist.

Nun ist Leipzig meine Wahlheimat und ich bin froh das Glück gehabt zu haben mir eine Heimat wählen zu können.

Was und wo ist Heimat?

Heimat ist, wo man sich zu Hause fühlt, zu Hause fühlt man sich dort, wo man geborgen ist, und das ist man bei Menschen, die einen lieben.

Und diese Art Mensch kann ich zum Glück nicht nur in Leipzig finden, auch in Dresden, in Görlitz, in Amsterdam, in Erfurt, in Osnabrück und in Oßling.

Also wieso ist gerade Leipzig meine Wahlheimat?

Für mich ist es der ideale Ort auch geschichtlich gesehen, also aus der Vergangenheit betrachtet, aber auch kulturell in der Gegenwart. Aber natürlich vor allem die Freunde, die ich während meines Studiums hier kennen gelernt habe, die Erlebnisse und natürlich die erste eigene Wohnung – hier in Leipzig begann mein eigenständiger Weg, mein Leben als erwachsener Mensch.

Nach 2 Jahren der Abwesenheit entdecke ich so viel Neues in der architektonischen Landschaft, allen voran der beinah vollendete neue Universitätscampus am Augustusplatz mit der erstehenden St. Paulus-Universitätskirche, die während des DDR-Regimes brutal niedergerissen wurde. Es ist schade, dass beim Gründen dieses Staates nach dem 2. Weltkrieg kein kommunistischer Idealstaat entstanden ist, so wie es sich Marx vorgestellt hatte und so wie ihn sich viele damalige Intellektuelle erträumten. Letztere suchten jedoch sehr bald das Weite, als sie merkten, dass es sich nur um eine Marionette des sowjetischen „Bruders“ handelte.

Genauso ist der idealistische Gedanke eines einheitlichen Deutschland korrumpiert worden. Erst wurde die bürgerliche Revolution von 1848 in der Restauration erstickt, dann wurde der Einheitsgedanke schließlich dazu benutzt um den preußischen Kronprinzen zum Kaiser zu erheben. Der daraufhin blühende Nationalstolz, der nie zuvor existierte schlug ins Extrem – in Größenwahn, der gleich zweimal einen bösen Sturz mit sich brachte und natürlich noch heute das bizarre Verhältnis der Deutschen zu ihrem Staate prägt.

Ganz deutlich beobachtete ich dies bei den Fußballweltmeisterschaften: Einen Monat lang gibt es ein „Wir“, darf man stolz die Nationalfahne schwenken und überall installieren, dürfen wir unser Land lieben, das doch eigentlich nur von 11 Mann bei einem Ballspiel vertreten wird. Nach dem Monat wird Nationalgefühl- und Fahne wieder für 4 Jahre in der Schublade verstaut und jeder wieder schief angesehen sobald er sich allzu euphorisch über sein Land freut. Ich frage mich, wann wird das deutsche Volk je einen „gesunden“ Nationalstolz besitzen?

Aber ich schweife schon wieder zu sehr ab. Momentan sitze ich in lauer Sommernacht auf dem Markt zu Leipzig. Gegenüber: das alte Rathaus, das berühmte Renaissancegebäude mit seinem Glockenturm im Goldenen Schnitt. 1898 wurde auf diesem Platz der Letzte Man gehängt, kein Geringerer als Büchners „Woyzeck“, den ich unter anderen Rollen hier in Leipzig zum Eignungstest für das Schauspielstudium vortrug. Ich sitze an der Ecke im „Spizz“ – ein sehr bekanntes und angesagtes Cafe, so wie es wohl „Auerbachs Keller“ zu Goethes Zeiten gewesen sein muss. Das Spizz ist auch für seinen Jazzkeller bekannt und als Student bin ich hier oft Mittwochabend zu den Boogie-Nights gegangen. Das beste Mittel um gute Laune zu bekommen und überschüssige Energien im Tanz los zu werden.

Ich schaue geradewegs auf das Gebäude südlich vom Rathaus gelegen, in dem die Stadt regelmäßig namenhafte Gäste zu betten pflegte, so auch Napoleon und den russischen Zar Peter den Großen.

Ca. 150m westlich davon erhebt sich die Thomaskirche, in deren Pfarrhaus Johann Sebastian Bach den Thomaner-Knabenchor unterrichtete, unter anderem auch Latein, was er aber so schnell wie möglich an einen anderen Lehrer abgab.

Neben der Thomaskirche war Bach auch noch für die anderen 3 Stadtkirchen Kantor: Die Nikolaikirche, die Universitätskirche und die Bethanienkirche.

Und da mir die Präsenz und das Wirken all dieser berühmten Leute in Leipzig stets gegenwärtig war, kann ich nicht umhin mir mein Portrait in einer der blanken Buntglasfenster der Thomaskirche vorzuträumen. Und auch bei dieser Träumerei stellt sich wieder die Frage: Ist es heutzutage überhaupt noch möglich wahrhaftig und dauerhaft berühmt zu werden und auch in die Geschichte einzugehen? (Mal abgesehen von der Frage, ob das überhaupt wichtig ist!)

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Wahrscheinlich muss man dazu erste Kanzlerin der Welt werden, wie die unsrige: Frau Merkel, die ebenfalls hier in Leipzig studierte und auch kellnerte, wie die nette Bedienung hier im Spizz. Tja, niemand weiß eben, ob und in welche Richtung sich das Potential  eines jeden Einzelnen entfalten wird, welches zweifellos in ihm steckt, nur Gott weiß dies!

Ich bin nur erstaunt über Alexander von Humboldt, dessen gesammelte Werke ich zurzeit lese. Dieser war schon mit 30 Jahren so gebildet, dass er schon dafür in ganz Europa bekannt war und schon da als halber Universalgelehrter galt. Und dabei könnte man heute 100mal effizienter lernen, da wir schneller reisen und schneller Zugriff auf Nachschlagewerke, das Internet eingeschlossen, haben. Zudem sind die politischen  Hindernisse zumindest für einen Europäer wesentlich geringer als damals. Und dennoch würde ich in 3 Jahren selbst bei größter Anstrengung nicht halb so viel wissen wie er. Oder etwa doch? Hat sich unser Wissen nur in andere Richtungen gewagt? Gibt es nur einfach nicht mehr so viel „Neues“ zu entdecken, dass wir weniger neugierig geworden sind bzw. erstreckt sich unsere Neugier nur in andere Gebiete wie Informatik und den Mikrokosmos? Verlieren wir den Bezug zur Empirie und der damit verbundenen Wissenschaft?

Ich hoffe, dass ich eines Tages als Doktor nach Leipzig zurückkehren kann und als Wissenschaftler und Künstler und Mensch mit offenen Augen Antworten auf all die Fragen bekommen kann.

 

Der Begleiter

Lebenslang begleit ich Dich,
durch Glück und Nacht, durch All- und Tag.
Vermissen brauchst D‘ mich ewig nicht,
auch wenn’s Dir oft so scheinen mag.
Später ist die Schönheit licht
Dann bist es Du, der nach mir fragt.
Geh’ mit mir Hand in Fuß als Würze Deines Lebens,
denn ohne mich suchst Du Freud’ vor Leid vergebens.

Nun ist’s still

Nun ist’s still
Zeit gerinnt
Erinn’rung bleibt
Auch ich war Kind.
War Schwester, Tochter
verspielt und wild
hatte Träume
und ein Bild
von mir als Diva:
Rampenlicht.
So war mein Leben
Und ich traf Dich.
Mein stattlicher Mann,
Heldentenor,
verwöhntest mich
wie nie zuvor.
Im Presto klang
unser Glück dahin
im Bahradies –
bald bei dir bin!
Was kann ich außer danken?
Mein Leben ist es wert.
Verlass ich nun die Hülle
in Frieden,
unbeschwert…

Phönixflügel

Des Regens Ende Wärme schafft,
die wie ein Flammenmeer von Phönixpracht,
sich wogend in uns niedersengt
und strahlend neue Hoffnung schenkt.

Flut auf Flut bestimmt die Zeiten,
in denen Leid und Glück sich streiten.
Himmelschwebende, Höll´ erbebende Titanen,
die der Menschen Schicksal tragen.

Adam und Eva neu erzählt

Wir sitzen gern auf einem Ast,
wie es uns gerade paßt,
irgendwo im Lebensbaum.
Wann traf es uns? – ich weiß es kaum.

Wir bauten uns ein Haus hier oben,
die Euphorie: mit eingezogen.
Sitzen davor mit baumelnd Beinen,
lauschen Vögeln und uns beiden.

Ja was könnt es schön´res geben als von der Liebe satt zu werden?
Wir teilen uns den ganzen Baum und alles Glück auf Erden!

So dacht ich zumindest idealistisch,
aber Du warst nicht so kommunistisch,
wolltest unterhalten sein,
Dein Bein schlief Dir beim baumeln ein,
bekamst tiefe Falten ins Gesicht,
Nein, so was macht man nun wirklich nicht!

Obst und Zeit schlug sich auf Mägen,
Du – begannst an uns zu sägen.
Ich wollte lieber klettern gehn,
doch unser Baum war nicht mehr schön.

Als ich in Gedanken schwelgte,
Warum? Wieso? das Glück nun welkte,
da lachtest Du: „Ich hab´s geschafft!“
und es knarrte unser Ast.

Manche Menschen müssen eben,
direkter, bodenständig leben.
Unser Fall war hart und mies,
– die Säge auch mal Schlange hieß.